Mammografie – Nutzen und Schaden
von: Gabriela Hoppe
| 13. März 2014

Der Gesundheitsmonitor der Barmer GEK und Bertelsmannstiftung fragte vor kurzem Informationsbedarfe/-wünsche von Frauen bezüglich der Mammografie ab und sammelte im selben Zuge Einschätzung zu Nutzen und Schaden des Brustkrebsscreenings.

(Link zum Gesundheitsmonitor: https://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xbcr/SID-F1BC0E31-D884D2F0/bst/xcms_bst_dms_39349_39350_2.pdf)

Fazit der Studie (vgl. zu den folgenden Ausführungen Dierks/Schmacke 2014): Der Nutzen wird größtenteils überschätzt, die negativen Folgen (z.B. unnötige Angst durch falsch positive Befunde, unnötige Operationen, unnötige weiterführende Eingriffe) wurden überwiegend unterschätzt. Viele Frauen konnten gar keine Einschätzung treffen, weil sie unzureichend informiert waren.

Leider kann Diagnostik auch Risiken bergen. Diagnostische Tests, so gerne Patienten an sie glauben, sind nicht zu 100% sicher. Fakt ist: Weder die Aussage „Ist die Mammografie positiv, habe ich Krebs“, noch die Aussage „Ist die Mammografie negativ, habe ich keinen Krebs“ ist zutreffend. Anlass, sich mit der Mammografie näher zu beschäftigen.

Das Mammografie-Screening wurde in Deutschland 2002 eingeführt. Jede Frau ab dem 50. Lebensjahr soll alle zwei Jahre standardmäßig eine Mammografie durchführen lassen. Eine Reihenuntersuchung,  die die Versicherten in ihrer Solidargemeinschaft mit ca. 400 Millionen Euro pro Jahr unterstützen (vgl. GAÄD 2008).

Seit der Einführung wird die Mammografie kontrovers diskutiert. Hochwertige, kontrollierte Studien, die Nutzen und/oder Schaden belegen, liegen für Deutschland meines Wissens nicht vor. Allerdings kann man Studien anderer Länder sowie Teilergebnisse aus Deutschland zugrundelegen, wenn man sich mit dem Thema auseinandersetzt. Und das sollte man bzw. frau  ggf. bereits deutlich vor seinem 50. Lebensjahr tun, denn wenngleich die Mehrzahl der Diagnosen Frauen über 60 betrifft, ist nach aktueller statistischer Lage in etwa jede zehnte diagnostizierte Frau unter 45 Jahre alt. Für Frauen zwischen 35 und 55 Jahren steht Brustkrebs an Nr. 1 in Bezug auf die häufigsten Krebsneuerkrankungen sowie die häufigsten Todesursachen. (Vgl. RKI 2013)

Ziel des umfassenden Mammografie-Screenings soll eine möglichst frühzeitige Entdeckung früher Brustkrebsstadien sein, um durch geeignete Folgemaßnahmen die Sterblichkeitsrate zu verringern.

Durch das Screening scheinen nun zwar tatsächlich häufiger frühe Brustkrebsstadien entdeckt zu werden,  jedoch haben nicht alle davon eine ungünstige Prognose. H.-J. Koubenek spricht von einer Sensitivität (= Wieviele tatsächliche Brustkrebsfälle werden durch das Screening gefunden?) von 90% sowie von falsch positiven Befunden (= Eine Frau ohne Brustkrebs erhält einen positiven Befund) von ca. 6%. Schätzungsweise werden  5-10% der tastbaren Karzinome in der Mammografie nicht erkannt. Und eine zusätzliche Tastuntersuchung ist im Rahmen der Standard-Reihenuntersuchung nicht vorgesehen.

Laut einer Studie von Bleyer/Welch (2012; 2013) scheinen die Spätstadien durch das Screening keine Veränderung zu erfahren. Vielmehr scheint die Brustkrebsrate screeningunabhängig in allen Ländern mit entsprechend entwickeltem Gesundheitssystem zu sinken (vgl. Autier/Boniol 2013)

Eine kanadische Studie (BMJ 2014;348:g366; https://www.bmj.com/content/348/bmj.g366) verglich in diesem Zusammenhang über einen Zeitraum von 25 Jahren Frauen, die an einem Brustkrebsscreening teilnahmen mit solchen, die es nicht taten. Ergebnis war, dass in beiden Gruppen kein signifikanter Unterschied in der Sterblichkeitsrate bestand. Zudem wurde jeder fünfte im Screening entdeckte Krebs unnötigerweise (da nicht behandlungsbedürftig) behandelt. Somit wurden Frauen zu Krebspatientinnen (u.U. mit den bekannten Folgen von Bestrahlung, Chemo sowie begleitenden Ängsten) gemacht, die mit hoher Wahrscheinlichkeit bis zum Ende ihres Lebens symptomlos gewesen wären.

Eine Studie der Uni Oxford (Mukhtar, T.K./Yeates, D.R./Goldacre, M.J..; https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23761583) zeigt, dass die Anzahl Todesfälle sich  in den letzten 40 Jahren nicht verringert hat.

Gegenüber dem demzufolge fragwürdigen Nutzen, die Sterblichkeit zu verringern, stehen also unerwünschte Effekte, wie z.B. falsch positive Befunde, falsch negative Befunde, unnötige Angsterzeugung, hohe Kosten, unnötige Strahlenbelastung durch die Untersuchung selbst (und evtl. dadurch induzierte Krebsfälle).  Mal davon abgesehen, dass auch Qualität der Geräte und Qualifikation des Befunders eine Rolle spielen.

Koubenek kommt zu dem Schluss, dass nach Auswertung mehrer Studien bei einer Teilnahme von 1.000 Frauen über 10 Jahre eine einzige Frau einen Nutzen davontragen würde. Mindestens 5% dieser Frauen hätte eine Brust-OP, ohne Brustkrebs zu haben. Schätzungen zufolge stirbt eine von 10.000 Frauen, die über 10 Jahre lang eine jährliche Mammografie durchführen lassen, zusätzlich an Brustkrebs durch Strahlenwirkung. Dabei sinkt dieses Risiko im Alter, so dass gerade das Screening bei jüngeren Frauen mit unverdächtigen Tumoren umso kritischer zu betrachten ist.

Zumeist fallen in einer Reihenuntersuchung wie dem Mammografie-Screening individuelle Faktoren leider unter den Tisch, da z.B. auch der behandelnde Frauen- und Hausarzt nicht standardmäßig begleitend einbezogen werden. Auch das Einholen einer Zweitmeinung ist im Übrigen  im Vertragswerk nicht vorgesehen. Persönliche Risikofaktoren, familiäre Belastung, Brustbeschaffenheit, individueller Angstfaktor – all diese Aspekte sollten für jede Frau individuell berücksichtigt werten, um zu entscheiden, ob eine Mammografie Sinn hat oder nicht. (Vgl. auch GAÄD 2008.)

Als grundsätzliche Untersuchungsmethoden für die Brust im Hinblick auf die Erkennung von Krebsanzeichen (leider gibt allerdings keine der heute verfügbaren Methoden umfassende Sicherheit…) stehen im Übrigen heutzutage zur Verfügung (vgl. auch GAÄD 2008):

  • Tastuntersuchung (gut und gründlich sowie zum richtigen Zeitpunkt!)
  • Ultraschalluntersuchung (kann manche Krebsarten besser als die Mammografie sichtbar machen; kann andere Krebsarten und deren Vorstufen allerdings nicht sichtbar machen)
  • Mammografie (Röntgenuntersuchung, die strahlenabsorbierende Tumoren und einige Vorstufen sichtbar machen kann; die Strahlenbelastung erhöht wiederum das Krebsrisiko)
  • Kernspintomografie (zeigt einige Krebsarten besser als eine Mammografie; eine sehr teure Untersuchung, die nur in Ausnahmefällen von der Krankenkasse übernommen wird und auch in Bezug auf Strahlenbelastung noch nicht umfassend untersucht ist).

Eine Abwägung fällt,  insbesondere bei familiärer Vorbelastung, natürlich schwer und kann nur einzelfallbezogen erfolgen. Ich kann nur an jede Frau bzw. (potentielle) Patientin appellieren, sich umfassend zu informieren und auf individuelle Beratung zu pochen, um gemeinsam mit dem behandelnden bzw. empfehlenden Arzt eine individuelle Entscheidung zu treffen.

Autier, P./Boniol, M. „Effect ofscreening mammography on breastcancer incidence“. The New EnglandJournal of Medicine (368) 7 2013. 677.
Bleyer, A./Welch, H.G. „Effect ofthree decades of screening mammography on breast-cancer incidence“.The New England Journal of Medicine(367) 21 2012. 1998–2005.
Bleyer, A./Welch, H.G. „Effect ofscreening mammography on breastcancer incidence“. The New EnglandJournal of Medicine (368) 7 2013. 679.
Dierks, M.-L./Schmacke, N. "Mammografie-Screening und informierte Entscheidung - mehr Fragen als Antworten" Gesundheitsmonitor Newsletter. Bertelsmann Stiftung. 01/2014.
GAÄD "Merkbaltt zur Mammographie-Reihenuntersuchung. Oktober 2008. https://www.gaed.de/fileadmin/gaad/PDF/Aktuelles/Merkbl%C3%A4tter/Merkblatt-Mammographie.pdf.
Koubenek, H.-J. "Mammographie-Screening". Berliner Ärzte 8/2000. https://www.brustkrebs-info.de/patienten-info/index.php?datei=patienten-info/mammographie-screening/screening_nutzen.htm.
Mukhtar ,T.K.1, Yeates, D.R., Goldacre, M.J. "Breast cancer mortality trends in England and the assessment of the effectiveness of mammography screening: population-based study". J R Soc Med. 2013 Jun;106(6):234-42. doi: 10.1177/0141076813486779.
RKI "Krebs in Deutschland". 9. Ausgabe 2103.  Zentrum für Krebsregisterdaten. Berlin 2013. https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebs_in_Deutschland/kid_2013/krebs_in_deutschland_2013.pdf?__blob=publicationFile).