KPU und HPU sind nicht sehr bekannt
Kryptopyrollurie, abgekürzt KPU und HPU (Hämopyrrollactamurie) – schwierige Worte für eine kleine Stoffwechselentgleisung, die weitreichende Folgen für die Betroffenen haben kann. Viele Betroffene werden als Hypochonder oder Simulanten belächelt.Das liegt zum einen daran, dass KPU relativ unspezifische „Allerweltssymptome“ verursachen kann.
Zum anderen ist die Existenz dieser Stoffwechselstörung sowohl bei Ärzt:innen als auch bei Heilpraktiker:innen häufig unbekannt und / oder wird sogar belächelt. Für mich anhand der bestehenden Diagnosemöglichkeiten im Übrigen unfassbar.
Mehr Infos findest du im Podcast
Hör dir zu dem Thema unbedingt auch meine Podcastfolge 78 an, in der ich erkläre, warum KPU und HPU auch große Treiber für Reizdarmbeschwerden, SIBO und IMO sein können!
Häufig sind Kinder betroffen
Es gibt übrigens Vermutungen, dass ca. 10% aller Erwachsenen von KPU betroffen sind.
Zu Kindern habe ich keine entsprechenden Zahlen gefunden – in meiner Praxis habe ich jedoch bereits viele Patient:innen (darunter Erwachsene und Kinder) mit dieser Stoffwechselstörung erfolgreich behandeln können.
Für mich stehen hier insbesondere diejenigen Kinder im Blickpunkt, die ohne erkennbare organische Ursache entweder mit Aufmerksamkeitsstörungen (ADHS / ADS), Konzentrationsstörungen, Lese-Rechtschreib-Schwäche, Dyslexie, Dyskalkulie und / oder mit unklaren Oberbauchbeschwerden und Unverträglichkeiten in die Praxis kommen, sehr unter ihren Symptomen leiden, jedoch bisher keine hilfreiche Diagnose erhalten konnten.
Die gute Nachricht darum vorab: Frühzeitig erkannt und richtig behandelt, sind HPU bzw. KPU relativ leicht in den Griff zu bekommen und viele unspezifische Symptome und deren Auswirkungen auf körperlicher und auch seelischer Ebene können eingedämmt werden.
Was hat es mit KPU und HPU auf sich?
Ich versuche im Folgenden, HPU und KPU und ihre Auswirkungen in wenigen Worten zu erklären.
Kryptopyrrolurie (KPU) oder Hämopyrrollactamurie (HPU) ist eine Stoffwechselerkrankung, bei denen der Stoffwechsel des roten Blutfarbstoffes (Häm) beeinträchtigt ist.
Häm ist der rote Blutfarbstoff. Pyrrole als Bausteine des Häms werden normalerweise über den Stuhl ausgeschieden. Bei einer entsprechenden Stoffwechselstörung fallen vermehrt Pyrrole im Organismus an, so dass sie zusätzlich über den Urin ausgeschieden werden.
Da dieser Ausscheidungsweg nur über eine Bindung an Vitamin B6 und Zink erfolgt, gehen diese Stoffe dem Organismus auch vermehrt verloren.
Diese Stoffwechselstörung führt zur Bildung giftiger Stoffwechselprodukte und zur übermäßigen Ausscheidung von Nährstoffen wie Vitamin B6 und Zink – Nährstoffe, die in über 100 verschiedenen Stoffwechselfunktionen beteiligt sind!
Kein Wunder, dass Symptome vielfältig sind und oft auf 1000 andere Ursachen zurückgeführt werden!
Warum zwei Namen für diese Störung?
Als die vermehrte Ausscheidung von Pyrrolen entdeckt wurde, benannte man die Störung KPU.
Erst später entdeckte die Forschung, dass nicht alle Pyrrole zu Problemen führen, sondern nur eine spezielle Verbindung, das Hämopyrrolaktam.
Nährstoffmängel sind vorprogrammiert
KPU- / HPU-Betroffene haben also – und das insbesondere in Stresssituationen – mit einer erhöhten Ausscheidung von Vitalstoffen zu kämpfen. Das bedeutet, diese Menschen scheiden zuviel dieser Stoffe aus, was zu einer Mangelsituation im Körper führen kann. Kombinierter B6- und Zinkmangel ist also eine typische KPU-Situation. Auch Mangan ist übrigens häufig betroffen.
Da diese Stoffe an einer Vielzahl von Stoffwechselprozessen und Funktionskreisen im Körper beteiligt sind, sind die Symptomatiken vielfältig – eine entsprechende Differenzialdiagnostik (also eine Abgrenzung zu anderen möglichen Krankheitsauslösern) ist natürlich notwendig.
Aufgaben von Zink
Zink beispielsweise ist am Aufbau von über 200 Hormonen und Enzymen beteiligt!
Es hemmt und beschleunigt Stoffwechselprozesse, wird für Zellteilung und -wachstum benötigt, fungiert als Antioxidans und schützt so unsere Zellen, und nicht zuletzt ist es ein zentraler Bestandteil unseres Immunsystems!
Zinkmangel entdecken wir häufig an Flecken auf den Fingernägeln, erhöhter Infekthäufigkeit, struppigen Haaren, Haarausfall, nicht heilenden Wunden bzw. Hauterscheinungen, rissigen Lippen und Mundwinkeln, Gelenkschmerzen.
Interessant finde ich übrigens den Zusammenhang zwischen Zink und Legasthenie: Liegt in der Schwangerschaft ein Zinkmangel vor, können Leitungsbahnstörungen zwischen Auge und Hirnrinde folgen (bei Jungen übrigens häufiger als bei Mädchen, da zur Bildung von Testosteron zusätzlich Zink benötigt wird), was zu Legasthenie führen kann. Hier kann eine entsprechende Substitution oftmals Wunder wirken.
Aufgaben von Vitamin B6
Vitamin B6 wirkt als Co-Enzym an mehr als 100 Stoffwechselvorgängen im Körper mit. Damit das über die Nahrung aufgenommene B6 in die stoffwechselaktive Form überführt werden kann, wird u.a. Zink benötigt – trotz ausreichendem B6-Spiegel können also trotzdem Mangelerscheinungen vorliegen. B-Vitamine sind ansonsten stark im Bereich der Reizweiterleitung aktiv, wobei B6 insbesondere mit dem Kurzzeitgedächtnis in Zusammenhang gebracht wird.
B6-Mangel können wir u.a. möglicherweise erkennen an Morgenübelkeit, extremem Schwangerschaftserbrechen, erhöhter Stressanfälligkeit, Nervosität, innerer Unruhe, schlechtem Kurzzeitgedächtnis, Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen, Hautsymptomen oder auch bestimmten Formen von Anämien.
Interessant in diesem Zusammenhang kann übrigens eine Symptomatik sein, die durch Schädigung der Myelinscheiden im Nervensystem einer Multiplen Sklerose (MS) zum Verwechseln ähnlich ist, anders als diese jedoch über eine entsprechende Substitution ausgeheilt werden kann!
Vitamin B6 und Zink sind übrigens auch beim Histamin-Abbau beteiligt – ein Mangel an diesen Vitalstoffen begünstigt eine Histamin-Abbaustörung bzw. Histamin-Intoleranz.
Typische Krankheitsbilder, die mit KPU und HPU verbunden sind
- Erschöpfung / Burnout
- Depressionen / Angststörungen
- Schlafstörungen
- Fibromyalgie / Weichteilrheuma
- Schmerzen im Bewegungsapparat / Rheuma / Arthritis
- Nahrungsmittelintoleranzen / Reizmagen / Reizdarm / SIBO / IMO /Histamin-Intoleranz
- AD(H)S / Hyperaktivität / Konzentrationsstörungen
- Schilddrüsenfehlfunktionen, M. Hashimoto
- Schizophrenie
Langfristige Mangelfolgen sind dann deutlich komplexer, da die erwähnten Stoffe natürlich auch in Wechselwirkung mit anderen Vitalstoffen treten. Diskutiert werden u.a. Störungen des Eiweißstoffwechsels, Histaminintoleranzen, Mängel an weiteren Nährstoffen, eingeschränkte Entgiftungsfähigkeit des Körpers.
Hierbei ist zu beachten, dass die Symptomatik sich häufig schleichend und zunächst unbemerkt entwickelt. Je nach Ausmaß der entstandenen Mangelerscheinungen variiert dann natürlich auch das Ausmaß der Problematik.
Und hier noch einmal der Hinweis: Natürlich können auch eine Vielzahl anderer Ursachen für die genannten Krankheitsbilder (mit) verursachend sein – sollte jedoch eine KPU / HPU vorhanden sein, bietet diese hervorragende therapeutische Ansatzpunkte.
Eine Beratung bei einem / einer KPU- / HPU-erfahrenen Therapeut:in ist bei entsprechender Vermutung auf jeden Fall anzuraten.
Wie kann KPU / HPU diagnostiziert werden?
Badzun stellt Pfeiffers Leitsymptome bei kombiniertem Zink- und B6-Mangel vor, anhand derer man eine erste Vermutung äußern kann. Ich habe sie um eigene Beobachtungen ergänzt. Leidest du unter folgenden Symptomen, solltest du eine weitere Diagnostik in Erwägung ziehen:
- eiweißhaltige Nahrung wird schlecht vertragen
- starker Geruch von Atem und Körper
- Morgenübelkeit
- Verstopfung
- Histaminprobleme
- fehlende Traumerinnerung
- engstehende Vorderzähne im Oberkiefer
- weiße Flecken auf den Fingernägeln
- blasse, sonnenempfindliche Haut
- unklare Oberbauchschmerzen
- erhöhte Infektneigung
- „Schwangerschaftsstreifen“
- unregelmäßige Menstruation
- Impotenz
- erhöhte Stressanfälligkeit / Verstärkung von Symptomen durch Stress
- Familie mit nur Töchtern, und alle Töchter sehen sich sehr ähnlich
- Konezntrationsprobleme, ADS, ADHS, Lese-Rechtschreibschwäche, Dyskalulie, Dyslexie
- Erschöpfung und Müdigkeit
- Augenringe, Blässe
Zunächst wird in der Praxis bei bestehendem KPU- / HPU-Verdacht eine Urindiagnostik bei einem Speziallabor durchgeführt. Nur wenige Labors haben sich bisher mit dieser Stoffwechselstörung auseinandergesetzt. Auf meiner Empfehlungsseite findest du einen entsprechenden Test für den Heimgebrauch. Über den Urin lässt sich feststellen, inwieweit Pyrrole im Übermaß ausgeschieden werden.
Mikronährstoffuntersuchungen sind notwendig
Ist die Diagnose darüber erhärtet, müssen Blutuntersuchungen folgen, die entsprechende Mängel bestätigen und quantifizieren. Nur mittels dieser Mikronährstoffdiagnostik kannst du entscheiden, wie die Behandlung aussehen soll! Ich rate dringend davon ab, Standardpräparate mit HPU- / KPU-Mischungen zu verwenden, denn diese passen in den seltensten Fällen!
Ich lege in der Praxis Wert darauf, insbesondere auch typische Begleitsymptome und -mängel (z.B. Schilddrüsenbeteiligung, Eisenhaushalt, Molybdän, Mangan) mit zu untersuchen, um die Therapie entsprechend individuell gestalten zu können und Folgeerkrankungen frühzeitig vorzubeugen.
Die Grundtherapie besteht zunächst in einer Substitution der im Übermaß ausgeschiedenen Vitalstoffe. Diese ist wie gesagt höchstindividuell gestaltet und durch regelmäßige Kontrollen begleitet. Im Regelfall treten in meiner Praxis abhängig von der gezeigten Symptomatik weitere Therapieansätze hinzu. Je nach Fall können z.B. ausleitende Therapien oder Reiz-Reaktionstherapien sinnvoll sein.
Ich freue mich übrigens, wenn dieser Beitrag Verbreitung findet, da ich der Meinung bin, dass KPU / HPU viel häufiger auftritt als wir Therapeuten es vermuten und Leidenswege von Patienten oftmals deutlich verkürzt werden könnten…
Weitersagen ist also wie immer erlaubt und erwünscht! 🙂
Quellen & Speziallabors:
Badzun, M.: „Kryptopyrrolurie“; https://badzun.de/download/kpu-vortrag.pd
Pfeiffer, C. C.: „Nährstoff-Therapie bei psychischen Erkrankungen“, Karl Haug Verlag, 4. Aufl. 1993.
biovis‘ Diagnostik: www.biovis.de
Orthomedis Speziallabor